Was sind die Gründe?
Die Ursachen für die potenzielle Zunahme des Berges an Plastik weltweit, sind vielschichtig. Da ist der Trend zu immer kleineren Verpackungen, zugeschnitten auf Ein- oder Zweipersonenhaushalte, die Lebensmittel sind bereits portioniert, es gibt immer noch die To-go-Plastikbehältnisse, der Onlinehandel mit seinen unsinnigen Verpackungsorgien nimmt ständig – gerade momentan in Zeiten der Corona Krise – zu.
„Im Jahr 2018 wurden weltweit circa 359 Millionen Tonnen Kunststoff produziert – rund 19 Millionen Tonnen davon in Deutschland. Der Export von Kunststoff in Deutschland lag im Jahr 2018 bei etwa 13 Millionen Tonnen, während gleichzeitig über 10 Millionen Tonnen importiert wurden. Seit 1950 wächst die weltweite Herstellung von Plastik um im Durchschnitt neun Prozent.”
Die Hälfte aller Nahrungsverpackungen aus Plastik?
Wesentlich mehr als 50 Prozent aller Lebensmittelverpackungen sind aus Kunststoff gefertigt, und die Tendenz zeigt sich steigend. Ausgesprochen negative Aussichten in Bezug auf die Umwelt, denn der Kunststoff, auch als Mikro- und Nanoplastik, taucht als Plastikabfall überall in den Ozeanen, besonders stark betroffen die Küstengebiete, vermehrt auf. Plastik in den Mägen von allen Meerestieren, Krabben, Sandschnecken, jedweder Fisch, die Seevögel. 50 Prozent des Planktons in den Weltmeeren sind durch Mikro- und Nanoplastik ersetzt.
Lassen sich die Namen der Hauptschuldigen nennen?
Es sind die großen Konzerne, die die Hauptschuld an der Plastikflut tragen. So stellten die Umweltorganisation Greenpeace vor Kurzem, nach einer globalen Müllsammlungsaktion fest:
Es sind die Produkte von Danone, Nestlé, Coca Cola die vorwiegend aufgefunden werden. Überall. In den Wüsten, den Savannen, auf Feldern und Äckern. Kunststoff ist eines der gefährlichsten, schleichend wirkendes Giftcocktail auf dem Planeten überhaupt, es tangiert die Gesundheit der Natur in unertäglicher Weise.
Die Additive, Zusatzstoffe, Weichmacher, gehen in die verpackten Lebensmittel über – der Fachbegriff hierfür lautet MIGRATION.
Was unternimmt die Gesetzgebung?
Diverse Verordnungen regulieren zwar die Benutzung der Plastikstoffe – nur die sind genehmigt, die nach neuestem Stand der Wissenschaft unbedenklich für die Gesundheit der Verbraucher sind. Jedoch ist eben Tatsache, dass die Produktion von Plastik unabdingbar eine ganze Menge von Additiven, Zusatzstoffen benötigt. Nur so ist es möglich, die Materialeigenschaften den Kundenwünschen anzupassen. Außerdem generiert die Kunststoffproduktion eine Menge an Abbauprodukten sowie Unreinheiten, die ebenso in die Lebensmittel gelangen können.
„Während einige dieser Substanzen bekannt sind, ist ein großer Teil unbekannt. Somit ist auch unser Wissen um die gesundheitsschädlichen Auswirkungen sehr beschränkt“,
stellt der Ökotoxikologe Martin Wagner, der an der Universität von Trondheim arbeitet, fest. Auch die Verbraucherzentralen rufen nach Information, Forschung, Regelung. Ein Herr Jane Muncke vom Food Packaging Forum stellt fest, dass generell die Verpackungen der Lebensmittel in viel zu geringem Umfang überprüft werden. Es sei durchaus so, dass problematische Substanzen zum Verbraucher gelangen.
Es fehlen grundsätzlich Daten?
Die toxikologischen Daten, die für eine Vielzahl der bekannten Substanzen festgehalten sind, seien zudem vollkommen veraltet, “Chemikaliencocktails” wären keinesfalls hinreichend gut untersucht. So liest sich ein Übersichtsartikel eines Forscherteam 2017. Außer den gefährlichen Additiven aus den Verpackungsmaterialien finden sich nämlich auch Pestizide sowie Schwermetalle in Lebensmitteln. Mehr noch, fehlen in der aktuellen Bewertung des Risikos Langzeitdaten. Auch ist nicht geklärt, in welcher Art und Weise die Substanzen auf Krankheiten wie Herzleiden oder Diabetes Einfluss nehmen. Das EU-Parlament stellte schon im Jahre 2016 fest:
„Die gegenwärtige Gesetzgebung schützt die öffentliche Gesundheit nicht.”
Weichmacher schädigen das Hormonsystem?
In besonderer Weise hoch gefährlich zeigen sich die endokrin wirksamen Stoffe (EDCs) – sie beeinflussen das Hormonsystem. Dabei geriet der Weichmacher Bisphenol A (BPA) ins Blickfeld der Öffentlichkeit – so wurden also die EDCs und Phthalate als hochgefährliche Giftstoffe gebrandmarkt – jedoch munter weiter verwendet. BPA findet sich unter anderem in den inneren Beschichtungen der Konservendosen.
Wir mutieren zu Plastikwesen?
Was die künstliche Intelligenz nicht schafft, mit unserem Konsumverhalten in Plastikdingen, tun wir es allein. Zahlreiche Studien wiesen bei gut 85 Prozent der untersuchten Menschen BPA im Urin und im Stuhl nach. Auch die viel gebrauchten PVC-Folien, wie sie benützt werden, um Frischfleisch einzuwickeln, oder genauso die Deckeldichtungen von Twist-off-Gläsern, enthalten regelmäßig Phthalate. Josef Köhrle, ein Wissenschaftler der Berliner Charité meint dazu ganz allgemein:
“EDCs begünstigen bewiesenermaßen diverse Krankheiten – auch schon in kleinen Mengen. Es gibt mehr hormonabhängige Tumoren, also mehr Prostata-, Hoden- und Brustkrebs, Jugendliche kommen früher in die Pubertät, Übergewicht und Diabetes nehmen ebenso zu wie Entwicklungsstörungen bei Kindern“
„Kreidezähne“ bei Kleinkindern?
Es gibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), diese Institution sieht die sogenannten „Kreidezähne“ bei Kleinkindern, die Bisphenol A zugeschrieben werden nicht im Zusammenhang mit diesem Weichmacher. Josef Körhle, Forscher an der Berliner Charité, lässt jedoch, obwohl es immer Bündel von Ursachen seien, die letztlich die Krankheit begründen, keinen Zweifel daran, dass EDCs, also beispielsweise Bisphenole oder Phthalate, mit als Hauptursache identifiziert werden können.
„Wichtig ist, dass wir die Chemikalienexposition aus Kunststoffprodukten verringern können und müssen“,
stellt dazu der Ökotoxikologe Martin Wagner, der an der Universität von Trondheim arbeitet, fest.
„Das gilt insbesondere für Schwangere und Kinder.“
Bäumchen wechsel dich?
Nachdem seit dem Jahr 2017 der Stoff Bisphenol A als „besonders besorgniserregende Substanz“ erkannt wurde, seien die Hersteller ganz einfach dazu übergegangen, die unbedingt zur Kunststoffproduktion benötigten Additive durch Alternativen zu ersetzen. So verwendet man nun statt Bisphenol A eben Bisphenol S. Zahlreiche Studien haben bewiesen, dass die nur leicht veränderte Formeln oft noch gefährlicher und schädigender sind.
Schon 2005 stufte man ein Phthalat, nämlich DEHP als „fortpflanzungsgefährdend” ein. Heute setzt man Phthalate wie DIDP und DINP ein. Ein Forscher meint dazu:
„DINP steht unter Verdacht, ein endokriner Disruptor zu sein.“
Giftstoffe auch in Textilfarben?
Auch Druckerfarbe, wie sie in der Textilindustrie, (MASKEN!) in und auf Lebensmittelverpackungen benutzt wird, enthält hochgiftige Phthalate. Gefährlich: Die Giftstoffe aus der Druckerfarbe werden beim Recycling untergemischt und landen so schließlich wieder in den Kartonagen, in denen beispielweise Nudeln oder Müsli verpackt sind. Das Recycling von Kunststoff ist also keineswegs der goldene Weg.
Die Safe Food Advocacy Europe Verbraucherorganisation zu recyceltem PET:
Es liegt mehr als im Bereich des Möglichen, dass es bei der Entsorgung und dem Recycling zu einer Kreuzkontaminationen mit Plastikstoffen kommen kann, die absolut in keiner Weise für den Einsatz in Lebensmitteln geeignet und erlaubt sind. Bei der Produktion aus recyceltem Plastik müssen der „Plaste“noch mehr Additive zugesetzt werden, als gewöhnlich. So sei das Risiko in Bezug auf recycelte Kunststoffe in deutlichem Maß höher als es bei neuen Kunststoffverpackungen der Fall wäre.
Wie handeln, als Konsument?
Natürlich fragt sich der Verbraucher, was er denn nun tun könne. Es gilt, frische und unvcerpackte Produkte zu erwerben. Keine Plastikflaschen – Wasser aus der Leitung. „Besorgte Menschen oder Eltern können möglichst frische und unverpackte Produkte kaufen“ Der Toxikologe Martin Wagner rät, Kunststoffverpackungen mit den Nummern 3 (PVC), 6 (Polystyren) und 7 (andere Kunststoffe) vom Kauf auszuschließen.
Vorsicht walten lassen bei Plastikbehältnissen?
Ganz klar sei zudem, dass sich potenziell toxische Substanzen aus Kunststoffen lösen, gerade bei Hitze. Deswegen ist es dringend angeraten, heiße Getränke keinesfalls in Plastikflaschen aufbewahren. Eben sowenig sollte man in der Mikrowelle Nahrung in Plastikgeschirr (zum Beispiel Melamin oder Tupper) erhitzen. In fetthaltige und saure Lebensmittelprodukten gehen die Chemikalien leichter über, so Fischkonserven oder Pesto.
Plastik längst in der Nahrungskette?
Nur ein generelles Umdenken – in großem Stil – kann uns vielleicht noch vor den Gefahren schützen, die das Mikro- und Nanoplastik in den Ozeanen bedeutet. In Fischen, anderen Meeresfrüchten, Meersalz, in unserem Trinkwasser, findet sich Teile des Plastikmülls wieder (359 Millionen Tonnen jährlich – es wird mehr), die wir produzieren. Wir sind auf dem besten Weg zu Plastikmenschen zu werden – die Kunststoffe verändern auch die DNA.
Fazit
Der Werkstoff Plastik hat sich in einem winzigen Bruchteil der Menschheitsgeschichte wie Sekundenkleber (Cyanacrylat, Cyanoacrylat oder Alkylcyanacrylat) mit ihr verbunden. Ihn wieder zu entfernen, dauert Millionen Jahre – doch wir produzieren täglich noch mehr nicht recycelbares Plastik. Alleine durch die Einwegmasken entstehen jeden Tag 960 Tonnen Plastikmüll zusätzlich. Schon lange ist das Plastik, in einer phantastischen Größenordnung, in unserer Nahrungskette angelangt.
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Die Autorin
Dr. Annette Rexroth ist Diplom-Chemikerin und staatlich geprüfte
Lebensmittelchemikerin.
Als Referentin für Rückstände und Kontaminanten in Lebensmitteln ist sie beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Bonn tätig.
Dr. Annette Rexroth
Oedinger Straße 50, 53424 Remagen
ar707@outlook.de